Ein römisches Ladenlokal in Bonn

Ladenlokal mit Garküche "Villa Alaudae"
Ladenlokal mit Garküche "Villa Alaudae"

Bonn, um 70. Während des Bataveraufstandes hatten Raubzüge das Rheinland verheert. Auch in Bonn musste man nun neu anfangen. Aliters Familie führt ein Ladenlokal mit Garküche, die Villa Alaudae.

Bange Tage

Nun konnte Aliter seine Familie wieder in die Arme schließen. Doch es waren bange Tage, denn Fortiters legio I Germanica war unter den Besiegten. Endlich kam ein Brief von Poesina aus Augst: Fortiter lebte und war wohlauf. Kaiser Vespasian hatte die I Germanica aufgelöst und die Soldaten anderen Legionen in Illyrien zugeteilt. Weiter schrieb sie, dass Fortiter zur legio XI Claudia kommen würde, die gerade von Dalmatien nach Vindonissa versetzt wurde. Aliter atmete tief durch und legte den Brief aus der Hand. Das war mehr als man hoffen konnte. Vindonissa, das war in Germania Superior, ganz in der Nähe von Augst. Da würde er ihn besuchen können, ihm als ehemaligem Centurio würde man das kaum verwehren. Wozu hatte er noch seinen Helm mit dem quergestellten Helmbusch?

Ein Ladenlokal mit Garküche

Im Spätsommer war Nativo endlich wieder in Bonn. Zusammen mit seinem Halbbruder Aliter ging er durch das zerstörte Legionslager. Zwischen den Trümmern erblickte Nativo eine Münze auf dem Boden und hob sie auf. Sie zeigte die Zerstörung des Legionslagers Xanten und den Untergang der Legionen XV Primigenia und V Alaudae. Offensichtlich hatte Civilis diese Münzen prägen lassen. Angewidert schmiss Nativo sie weg. „Wir werden das Lager wieder aufbauen“, sagte Aliter entschieden, „aus Stein!“

Auch Aliters und Pumellas Steinhäuschen stand noch, bedurfte aber gewaltiger Reparaturen. „Du weißt, der alte Legionär der V Alaudae hat mir seine Ersparnisse vermacht“, sagte Nativo langsam, „ich werde sie Euch geben, damit Ihr hier alles neu aufbaut. Euer kleines Steinhäuschen mit einem Ladenlokal, in dem Ihr Oliven, Olivenöl und alle die guten Dinge verkauft, die ich bringe. Und vielleicht auch eine kleine Garküche. Das gebt Ihr dann später weiter an Nauticula und Rubeus.“ Es folgte einen Moment Schweigen, dann sah er neue Hoffnung in den Gesichtern – ja, das war ein guter Weg. „Wir wollen das Andenken dieses alten Legionärs der V Alaudae in Ehren halten“, meinte Aliter, „vielleicht mit einem guten Namen für das Haus.“ „Villa Alaudae!“ sagte Nauticula freudestrahlend.

Familien-Bande (71)

Im Frühjahr des folgenden Jahres war es so weit. Nativos Schiff legte in Bonn an. Doch bevor sie nach Süden fuhren, wollten Aliter und Nativo mit Nauticulas Vater Tschorba noch etwas regeln. Kaiser Vespasians gewaltige Reorganisation der Rheinarmee betraf auch ihn. Die Mainzer legio IIII Macedonica wurde aufgelöst, als IIII Flavia Felix neu aufgestellt und nach Dalmatien versetzt. Noch schlimmer traf es die Neusser legio XVI Gallica, sie wurde als XVI Flavia Firma neu gegründet und gleich an die Ostgrenze nach Syrien versetzt.

Die Donau-Legionen aus Cerialis‘ Heer mussten schnell zurück an die mittlere und untere Donau. Diese Truppenverlegungen waren eine gewaltige logistische Aufgabe, und auch auf die Rheinflotte, die Classis Germanica, kam einiges zu. Tschorba, der selbst von der unteren Donau kam, würde lange weg sein, und das bedrückte ihn sehr.

Ein Kapitän für die Donau-Route

„Du weißt, wie lieb wir Nauticula haben, und dass Du Dir keine Sorgen um sie machen musst“, sagte Aliter beruhigend, „und vielleicht möchtest Du auch Deine Heimat wiedersehen.“ Nativo fuhr fort: „Ich weiß, die Dienstzeit bei der Flotte ist noch länger als bei der Legion, aber Du hast es bald geschafft, und dann bekommst Du römisches Bürgerrecht. Setz‘ das jetzt nicht auf Spiel, und wenn Du Deinen Dienst beendet hast, möchte ich Dich gerne als Schiffsführer für unser Geschäft gewinnen.“ Tschorba verschlug es die Sprache, damit hatte er trotz aller Freundschaft nicht gerechnet. Nauticula flog ihm um den Hals.

Während er seine Tochter fest im Arm hielt und Tränen wegblinzelte, fuhr Nativo fort: „Ich brauche einen tüchtigen Kapitän, der sich auch an der Donau auskennt, denn da verlagert sich jetzt vieles hin.“ Aliter strahlte von einem Ohr zum anderen, dann sagte er: „Auch ubische Auxiliartruppen sind an die Donau verlegt worden. Als Anfang kannst Du Ihnen etwas Leckeres aus ihrer Heimat mitbringen, und auf dem Rückweg dann unseren thrakischen Hilfstruppen und Mitbürgern hier am Rhein etwas aus ihrer Heimat. Das sind wir Ihnen doch schuldig!“

„Villa Alaudae“ (72)

Aliters wieder aufgebautes Steinhäuschen, die „Villa Alaudae“, war ein Schmuckstück geworden. Sie lag nahe am Ufer, und die Fenster waren so angeordnet, dass man von den Wohnräumen der Familie aus den Rhein sehen konnte und die Schiffe, die anlegten und ausliefen. Das Haus war weiß getüncht, unten mit einem dunkleren Rotton abgesetzt. Durch eine Säulenhalle kam man zum Eingang und sah gleich auf das kleine Peristyl, ein Gärtchen, von dem aus offene Türen mit Holzeinfassung in die umgebenden Räume führten. Neben den Wohnräumen, der Küche und den Wirtschaftsräumen gab es ein kleines Ladenlokal, das zur Straßenseite hin offen war. Der Boden hatte Steinfliesen und in den selbstgezimmerten Regalen standen Amphoren und Glasflaschen mit den herrlichsten Oliven, Olivenölen und Weinen.

Über die Theke konnten die Leute auch warme Mahlzeiten kaufen, denn die meisten Häuser waren klein und eng, und das Kochen war kaum möglich. Es war kein Vergleich mit den opulenten Menüs, die bei den Gelagen der Oberschicht aufgetragen wurden, aber das musste auch nicht sein. Die Gerichte von der „Villa Alaudae“ waren alle frisch zubereitet und schmeckten einfach gut.

Ein Weihestein aus Drachenfels-Trachyt

Als das Haus fast fertig war, hatten einige Legionäre der XXI Rapax einen kleinen Steinblock vom Drachenfels gebracht. Aliter war gerührt; er wusste ja, dass der Steinbruch ein militärischer Betrieb war und die Steine nur für offizielle Bauten verwendet wurden. „Ja, das stimmt“, sagte ein Offizier, „doch Du hast so viel für uns getan, Du bist so oft mit uns drüben, da ist es nur richtig, dass Du ein Stückchen von drüben auch hier hast. Dieser Block gäbe einen guten Weihestein hier für Euer Peristyl.“ So geschah es.

Nun war der Weihestein fertig gemeißelt und wurde im Beisein von Familie und Freunden gesetzt. Er zeigte drei Frauen in ubischer Festtracht, die zusammen auf einer Bank saßen. Die beiden äußeren trugen große, auffällige Hauben; die mittlere war kleiner dargestellt und trug ihr Haar offen. Alle drei hielten einen Fruchtkorb auf dem Schoß. Es waren die Aufanischen Mütter; sie standen für Jugend, Erwachsensein und Alter, das Wachsen, Blühen und Absterben in der Natur. Über diesen ewigen Kreislauf des Lebens wachten sie und gewährten mütterlichen Schutz.

Die Einheimischen, unter ihnen Pumella Pulchras Familie, verehrten sie seit alters her; nun bat Aliter um Schutz für seine ganze, weitverzweigte Familie: Pumella Pulchra, seine geliebte Frau, Fortiter, sein ältester Sohn, der im Legionslager Vindonissa in Germania Superior seinen Dienst tat und ab und zu auf Urlaub kam, Rubeus, sein jüngerer Sohn, der bald seine Pflegetochter Nauticula heiraten würde, ihr Vater Tschorba, der auf der Donau unterwegs war, und natürlich Nativo, sein Halbbruder, der ihn in den Schoß seiner Ursprungsfamilie zurückgeholt hatte.

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