Frankeneinfälle

Römerschiff mit Drachenstandarte auf dem Rhein,
Römerschiff mit Drachenstandarte auf dem Rhein,

Römisches Germanien um 260. Frankeneinfälle, die Rheingrenze war kaum verteidigt. An der unteren Donau brachen die Goten durch; im Osten kamen die römischen Truppen gegen die Sassaniden kaum mehr an.

An der unteren Donau waren die Goten durchgebrochen; im Osten kamen die römischen Truppen gegen die Sassaniden kaum mehr an; in Südwestdeutschland kam es zu verheerenden Raubzügen der Alemannen. Inzwischen waren die alten Stämme auf der rechten Rheinseite zum Großstamm der Franken zusammengewachsen und so zu einer ernsten Bedrohung für die Römer geworden.

Nach vielen Generationen war Vitus Familienoberhaupt in der „Villa Alaudae“. Er war Veteran der Flotte. Sein bester Freund war Florens, der an der Rheintalstraße für die legio I Minervia Dienst tat und den Hof seines Vaters Fructo übernommen hatte. Beide waren sehr besorgt, denn durch den ständigen Abzug von Truppen in den Osten oder in Bürgerkriege war die Rheingrenze kaum geschützt.

Gallisches Sonderreich (260-274)

Die drei Gallischen Provinzen, Germania Inferior und Germania Superior, zeitweise auch Spanien und Britannien, sagten sich von Rom los und bildeten ein „Gallisches Sonderreich“ mit der CCAA als Hauptstadt. Kaiser Gallienus in Rom konnte das nicht hinnehmen. Dabei verstand Postumus sich als Römer und hatte nicht die Absicht, Gallienus seinen Thron streitig zu machen. Aber da der Kaiser nicht an allen Fronten zugleich kämpfen konnte, nahmen Postumus und seine Männer die Verteidigung Galliens und Germaniens in die eigene Hand. Er scheute sich nicht, Zahlungen an die Thüringer im rechtsrheinischen Germanien zu leisten, damit sie ihrerseits die Franken beschäftigt hielten. Für einige Jahre herrschte Ruhe an der Rheingrenze, und die Römer gewannen Zeit, um sich besser gegen die Franken und Alemannen zu schützen.

Postumus organisierte die Grenzverteidigung in der Tiefe. Nicht nur direkt an der Grenze, auch im Hinterland wurden Truppen stationiert, die eingreifen konnten, wenn Feinde einmal durchgebrochen waren. Die großen Straßen nach Tongeren ins Innere von Germania Inferior und nach Augusta Treverorum in Gallia Belgica wurden durch Kleinkastelle (Burgi) und dort stationierte Reiterverbände gesichert. Auch reichten die beiden großen Flottenstützpunkte in der CCAA und in Mainz alleine nicht mehr aus, die Grenze musste engmaschiger überwacht werden. Auf der rechten Rheinseite, gegenüber den Kastellen, wurden befestigte Anlegestellen für Schiffe gebaut (Lände-Burgi).

Ein Schiff mit goldener Drachenstandarde

Jederzeit musste man mit großangelegten Raubzügen der Franken und Alemannen in römisches Gebiet rechnen, viele Menschen verließen ihre Häuser und Landgüter und zogen in die Städte oder in die Nähe gut befestigter Kastelle, manche zogen auch ganz fort aus dem Grenzgebiet tiefer hinein ins Römische Reich. Vitus und sein Freund Florens halfen, wo sie konnten. Vitus brachte viele Menschen mit seinem Schiff zu Verwandten in anderen Orten. Schon bald war sein Schiff mit der goldenen Dracostandarte bekannt und man winkte ihm oft schon vom Ufer zu. Dann ließ er heran rudern und nahm die schutzsuchenden Menschen mit. Wer gar nicht wusste wohin, fand auf Florens‘ Hof erst einmal Unterschlupf. An vielen Orten auf dem Land baute man Burgi – Wehrtürme, in denen die Menschen auf dem Land im Falle eines Angriffs Schutz finden konnten. Auch auf Florens‘ Hof entstand ein großer Burgus.

Aber das Reich kam nicht zur Ruhe. Kaiser Gallienus war von seinen eigenen Leuten ermordet worden, wie so viele Kaiser vor und vielleicht auch nach ihm. Wenige Jahre später kam es zu einem Kampf zwischen Postumus‘ Truppen und den Legionen in Mainz, und Postumus siegte. Als er seinen Soldaten die Plünderung untersagte, wurde auch er ermordet.

Kaiser Aurelian

Nach dem Postumus‘ Tod ging es mit dem Gallischen Sonderreich bergab. Die neuen Kaiser verlegten ihre Residenz nach Trier und waren vor allem mit ihren eigenen Intrigen beschäftigt. Derweil kam in Rom ein starker Herrscher an die Macht, Aurelian (270-275). Bei seinem Regierungsantritt herrschte er nur über ein Drittel des Römischen Reiches, denn große Teile des Ostens hatten sich unter der Führung der Oasenstadt Palmyra von Rom losgesagt, und im Westen bestand das Gallische Sonderreich. Das nahm Aurelian nicht hin.

Als er Palmyra besiegt hatte, zog er 274 mit seinem Heer über die Alpen, um auch dem Gallischen Sonderreich ein Ende zu machen. Auch der Herrscher in Trier, Tetricus, rief seine Armee zusammen. Die Soldaten, die noch am Rhein standen, mussten mit.

Die Veteranen Vitus und Florens standen an der Rheintalstraße und sahen ihnen bange nach. „Wenn die Franken wieder angreifen, bevor sie zurück sind, haben wir keine Chance“, sagte Vitus bedrückt. „Sie werden kommen, alter Freund“, antwortete Florens langsam, „seit Jahren beobachten sie, wie immer wieder Truppen vom Rhein abgezogen werden. Sie wissen längst, wie verwundbar wir sind. Und nach allem, was ich von Aurelian gehört habe, ist er sehr hart.“ „Dann können wir uns nur weiter gut vorbereiten“, sagte Vitus, „wir schaffen Vorräte ins Lager, und beim geringsten Anzeichen von Gefahr sucht die Familie dort Schutz.

Und wie sieht es bei Euch?“ „Der Burgus auf unserem Hof steht sicher und fest“, sagte Florens, „wir haben ihn so groß gebaut, dass viele Menschen und Tiere dort unterkommen. Dazu haben wir eine steinerne Wand hochgezogen und zwei Wälle mit Gräben angelegt. Ganz außen steht eine hohe Palisadenwand, das wird sie abhalten.“ Vitus nickte, doch er war beklommen. Noch einmal drückte er seinen Freund ganz fest, dann machte er sich auf den Weg zurück nach Bonn.

Die Katastrophe (276)

Schon bald darauf kamen erste Meldung aus Gallien, die Schlimmes ahnen ließen. Dann kamen nur wenige Männer zurück ins Bonner Legionslager – erschöpft, niedergeschlagen, mutlos. In einer blutigen Schlacht bei Châlons-sur-Marne hatte Aurelian gesiegt. Es mag ein Sieg für die Autorität Roms gewesen sein, doch für Gallien und das Rheinland war es eine Katastrophe. Sehr viele Soldaten der Rheinarmee waren umgekommen oder auf Aurelians Befehl hingerichtet worden, und so blieb kaum jemand mehr, der die Grenze hätte verteidigen können.

Doch es blieb keine Zeit zur Trauer. Die Mannschaften im Lager mussten verstärkt, die Vorräte weiter aufgestockt werden. Die meisten Menschen hatten von der Katastrophe in Gelduba erfahren und wussten, wie schnell die Überfälle kommen konnten. Immer mehr Menschen bereiteten sich darauf vor, beim ersten Anzeichen von Gefahr ins befestigte Lager zu fliehen. Vitus hielt sie immer wieder an, für den Ernstfall zu üben.

Franken und Alemannen überrennen das Land

Wenig später überrannten die Franken und Alemannen das Land. Viele Kastelle am Rhein wurden zerstört, weite Teile Hollands, Belgiens und Frankreichs wurden verwüstet, Paris ging in Flammen auf. Eine fränkische Horde überrannte das kleine Bonn, und nur die schnelle Flucht ins Legionslager konnte Leben retten. Dort war man vorbereitet: Pfeilhagel auf Pfeilhagel geht auf die Angreifer nieder, das steinerne Legionslager hielt dem Angriff stand, und die Franken mussten den Angriff aufgeben.

Doch die Menschen im Legionslager konnten nicht aufatmen. Wütend und frustriert zogen die Franken ab und gingen auf leichtere Ziele los. Wenig später sah man Feuer lodern, im Vicus und dann weiter weg. Als klar wurde, dass die Franken die Belagerung abbrachen, hatte ihnen ein Teil der Soldaten gleich nachgesetzt. Doch für viele Häuser und Höfe kam die Hilfe zu spät.

Die „Villa Alaudae“ wird aufgegeben (276)

Sobald er seine Familie in Sicherheit wusste, machte sich Vitus auf zu seinem Freund Florens. Doch schon von weitem sah er den Rauch – der Hof war niedergebrannt. Während er verzweifelt durch die Trümmer lief, hörte er jemanden seinen Namen rufen. Als er sich umdrehte, sah er einen der Nachbarn auf sich zu laufen. „Vitus“, rief er keuchend, „sie haben alles niedergebrannt, aber Florens, die Familie, die Tiere – sie leben, der Burgus hat standgehalten“.

Wenig später konnte der hemmungslos weinende Vitus seinen Freund und dessen Angehörige in die Arme schließen. Dann mussten sie Abschied von ihrem Hof nehmen, denn hier draußen hatten sie alleine keine Chance. Florens, seine Angehörigen und seine Nachbarn luden ihr Hab und Gut auf Karren und zogen ins Bonner Legionslager.

Auch die Wohngebiete außerhalb des Lagers wurden aufgegeben, alle suchten nun Schutz innerhalb des Lagers. Vitus und seiner Familie fiel es unendlich schwer, die „Villa Alaudae“ zu verlassen. Noch einmal gingen sie durch das Haus, das über Generationen hinweg in ihrer Familie gewesen war. Wie hatten sie diesen Blick aus dem Fenster auf den Rhein und die Berge auf der anderen Seite geliebt! Nun würden auch sie im Legionslager leben; die meisten Einrichtungsgegenstände waren schon in ein Steinhäuschen innerhalb des Lagers gebracht worden, wo sie ihr kleines Ladenlokal einigermaßen weiterführen konnten. Doch ihre „Villa Alaudae“ aufzugeben brach ihnen das Herz.

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Epilog >>

Frankeneinfälle | Zum Weiterlesen
www.livius.org, Germania Inferior, The Third Century

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