Die Rheingrenze

Römische Rheingrenze, Plakat zur Caelius-Ausstellung
Römische Rheingrenze, Plakat zur Caelius-Ausstellung

An der Rheingrenze, zur Zeit von Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) Der Rhein war die Grenze zwischen dem Römischen Reich auf der linken und dem freien „Germania Magna“ auf der rechten Rheinseite.

Marcus Prunus Aliter, ein Mittdreißiger, war Centurio der legio I Germanica. Seit dem Jahr 43 war die Legion in Bonn, damals Bonna, stationiert. Schon früh hatte er seine Heimatstadt Mediolanum, das heutigen Mailand, verlassen. Dort hatte er einen Halbbruder, Lucius Olivifer Nativo, Juniorchef eines Handelshauses.

Auf dem Weg nach Germania Inferior (um 50)

Straßburg, Mainz, Bingen, Koblenz, Remagen – langsam fuhr der Flussfrachter an den Römerstädten am Rhein vorbei. Lucius Olivifer Nativo war auf dem Weg von seiner Heimatstadt Mailand, dem antiken Mediolanum in Norditalien, nach Bonn.

Sein Halbbruder Marcus Prunus Aliter war dort Centurio. Kurz nach dem frühen Tod seiner ersten Frau hatte der Vater Nativos Mutter geheiratet. Ihre Familie betrieb ein gut gehendes Handelshaus, und so brachte ihm diese zweite Ehe den Aufstieg in die besseren Kreise. Der Sohn aus erster Ehe war im neuen Haushalt nur geduldet, der Einstieg in das Handelshaus blieb ihm verwehrt. Mit 18 Jahren war er in die Armeeeingetreten und hatte sich gleich zum Dienst an der Rheingrenze gemeldet. Nativo aber mochte seinen Halbbruder sehr und es bekümmerte ihn, dass er so weit weg war. Sogar seinen Namen hatte er abgelegt und nannte sich nun „Aliter“ – ein anderer.

Nativo

Inzwischen war der Vater hochbetagt und Nativo hatte die Leitung des Handelshauses übernommen. Er ging in seinem Geschäft auf: Weine aus dem ganzen Mittelmeerraum, Datteln, Feigen und andere Spezereien aus den Provinzen im Osten und aus Afrika, Pfirsiche aus den südlichen Regionen, und immer wieder Oliven und ihr köstliches Öl, das er ganz besonders liebte. Sie kamen aus Istrien, Apulien, dem Süden der Iberischen Halbinsel und aus Nordafrika.

Nativo war nicht wohl bei dem Gedanken, dass sein Bruder an der umkämpften Rheingrenze stationiert war. Auch fast 40 Jahre nach der verheerenden Niederlage des Varus gegen die Germanen unter Arminius waren viele Römer noch tief erschüttert. Damals hatte Kaiser Augustus acht Legionen an den Rhein kommandiert; sein Enkel Germanicus war mit dem gesamten Heer in einen verheerender Krieg gegen die Germanen gezogen, doch ein entscheidender Sieg war ihm nicht gelungen. Dann hatte Augustus‘ Nachfolger Tiberius den Feldherrn abberufen und den Krieg beendet. Er hatte selbst viele Jahre in Germanien gekämpft, verhandelt und kannte es gut. Nach seiner Einschätzung hätte Rom zu viel investieren müssen, bevor Germanien eine gewinnbringende Provinz werden würde – wenn man überhaupt so weit käme.

Olivenöl, Oliven und frisches Obst

Viele Römer aus Nativos Bekanntschaft schimpften immer noch darüber. Er aber war froh, dass Tiberius so entschieden hatte. Rom hatte Hass gesät, und Hass würde nur neuen Hass hervorbringen. Den Cheruskerfürsten Arminius hatten die Römer nicht bezwingen können, den Ehemann und Vater Arminius schon. Seine schwangere Frau Thusnelda war von ihrem eigenen Vater Segestes an Germanicus ausgeliefert worden, sein Sohn war in Gefangenschaft zur Welt gekommen. Beim Triumphzug des Germanicus hatte Segestes als Freund Roms auf der Ehrentribüne gesessen, während seine Familie als Kriegsgefangene vorgeführt worden war. Nativo fühlte nur Verachtung für einen solchen Vater und Großvater.

Dann fegte er die düsteren Gedanken weg. „Schluss damit“, dachte er. Er freute sich schon auf die Gesichter der Truppen und ihres Anhangs, wenn er seine Waren auslud, Oliven, Olivenöl, frisches Obst, die Würzsoße Garum. Dann natürlich Wein – nicht den ganz teuren aus der Ägäis, aber einfache, leckere Weine aus Italien, Gallien und der Iberische Halbinsel. Die meisten Legionäre waren einfache Leute aus Italien und Südgallien und vermissten ihre heimische Küche doch sehr. Vor allem freute er sich auf seinen Halbbruder Aliter.

Bonn (um 50)

Endlich war er da und konnte Aliter in die Arme schließen. Doch – für ihn, den Mann aus Mailand mit seiner urbanen Kultur, seinen Bädern und Fußbodenheizungen, war das kleine Bonn fast ein Kulturschock. Da waren die ubische Siedlung, das Legionslager, an dem immer noch gezimmert wurde. Dazu eine hastig aufgebaute Lagervorstadt, die Canabae Legionis. „So schlimm ist es nicht“, lachte Aliter, als er die Miene seines Halbbruders sah, „komm‘ erst mal an, unser Bad steht zur Verfügung, und danach führe ich Dich herum.“

Und so schlimm war es dann auch nicht. Am Abend saßen die beiden am Rheinuferbei einem Glas des mitgebrachten Weins. Das kleine Städtchen hatte seinen Reiz. Es lag auf einer Halbinsel zwischen dem großen, mächtigen Rhein und einem Altarm, der Gumme, und im Hinterland sah er weite Ebenen und Berge. Auch das bunt gemischte Völkchen um ihn herum mochte er. Da waren die germanischen Ubier, die vor vielen Jahren Agrippa auf der linken Rheinseite angesiedelt hatte, einige Kelten, eine Kohorte thrakischer Hilfstruppen und die Männer der legio I Germanica. Nach und nach ließen sich auch Händler und Handwerker nieder.

Pumella Pulchra

Aliter schmunzelte. „Hast Du gedacht, hier essen wir vom Fußboden oder laufen in Fellen herum?“ fragte er, „gib‘ unserem Bonn ein wenig Zeit, Du wirst sehen, es wird ein schmuckes Städtchen!“ Nativo stutzte. „Das klingt so, als wolltest Du hierbleiben“, sagte er. „Schon möglich“, antwortete Aliter langsam, „ich möchte Dir jemanden vorstellen“. Eine junge Frau mit rotblonden Haaren trat auf sie zu. „Das ist Pumella Pulchra“, sagte Aliter strahlend, „mit ihr möchte ich mein Leben verbringen, und wenn meine Dienstzeit vorbei ist, werden wir heiraten.“

Nativo war überrascht, doch er freute sich von ganzem Herzen für seinen Halb-bruder. „Nun, dann werde ich wohl häufiger kommen müssen“, sagte er, und für eine Weile hing jeder seinen Gedanken nach. Dann nahm Nativo noch einen großen Schluck und sagte: „Weißt Du, Vater hatte vor allem die Kundschaft in den großen Städten Italiens im Auge. Ich bin gerne mal unterwegs, vor allem auf dem Wasser, und ich möchte unser Geschäft hierhin ausdehnen. Vielleicht finde ich ja Handelspartner am Rhein.“

Handelspartner

Aliter strahlte. „Nach dem Ende meiner Dienstzeit möchte ich mich mit um die Verpflegung unserer Leute kümmern „, sagte er, „der Lagerkommandant ist für jede Hilfe dankbar. Noch können wir sie vor Ort nicht ausreichend versorgen und vieles muss importiert werden, vor allem die Speisen aus der Heimat. Du hast ja gesehen, wie sich die Kameraden freuen, wenn sie Oliven und Olivenöl zu einem fairen Preis kaufen können. Also, einen Handelspartner hättest Du hier schon einmal.“ Darauf tranken sie. „Und wer weiß“, fügte Nativo träumend hinzu, „bislang habe ich ja nur Frachtraum auf einem Schiff gemietet, aber wenn das Geschäft gut läuft, kann ich vielleicht einmal mit einem eigenen Schiff kommen.“

Die andere Rheinseite (54)

Nach seiner aktiven Dienstzeit gründeten Aliter und Pumella Pulchra eine Familie. Sie bekamen zwei Söhne, die sie Fortiter und Rubeus nannten. Sie lebten in einem schmucken kleinen Steinhäuschen am Rhein. Es war weit genug weg, um nicht vom Hochwasser überrascht zu werden, und doch nahe genug, dass sie von ihrem Fenster aus die Schiffe sahen. Aliter liebte diesen Betrieb auf dem Rhein. Oft schaute er hinüber zum anderen Ufer. Ein breiter Streifen auf der rechten Rheinseite war Militärgebiet. Pumella Pulchra war schon hier auf der linken Rheinseite in der Ubiersiedlung geboren worden. Die ganz Alten in ihrer Familie erzählten noch von der alten Heimat der Ubier drüben auf der rechten Seite, etwas weiter südlich.

Bald würden Arbeitstrupps auf die andere Seite übersetzen und an einem der Sieben Berge Steine brechen. Die uralten Ubier nannten ihn Drachenfels. Nun hatten die römischen Bauingenieure festgestellt, dass sich das Gestein dort besonders gut verbauen ließ. Vor allem sollte die Colonia Claudia Ara Agrippinensium, die CCAA, eine Stadtmauer bekommen.

Agrippina und die CCAA (um 55)

Aliter erinnerte sich an die Zeit, als die legio I Germanica dort gestanden hatte. Um das Jahr 28 hatte man das Doppellegionslager dann aufgelöst; die legio XX Valeria Victrix war nach Neuss, lateinisch Novaesium, gegangen, seine eigene I Germanica nach Bonn.

Im Jahre 50 war aus dem Oppidum Ubiorum die Colonia Claudia Ara Agrippinensium geworden, eine Stadt römischen Rechts. Das hatte die Kaisergattin Agrippina bei ihrem Mann Kaiser Claudius durchgesetzt. Die uralten Veteranen erinnerten sich noch an den November des Jahres 15, in dem Agrippina als Tochter des Feldherrn Germanicus dort geboren worden war. Nun, viele Jahre später, hatte sie ein bewegtes Leben hinter sich und schließlich Kaiser Claudius, ihren Onkel, dazu gebracht, sie zu heiraten und Nero, ihren Sohn aus erster Ehe, zu adoptieren. Agrippina galt als sehr machtbewusste Frau.

Steine vom Drachenfels >>

Die römische Rheingrenze | Zum Weiterlesen
LVR, Archäologie im Rheinland, Niedergermanischer Limes, der Rhein als Grenze

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*