Krieg im Osten

Römische Straße in der Rheinaue, Bonn
Römische Straße in der Rheinaue, Bonn

An der Rheingrenze zur Zeit Kaiser Marc Aurels. Im Osten hatten die Parther das römische Armenien überfallen, es kam zum Krieg. Von überall her zog der Kaiser zusammen, die legio I Minervia erhielt den Marschbefehl.

Der Offizier Uvius Pino von der legio I Minervia und seine Frau Nauticula Minor hatten lange Zeit glücklich in ihrer „Villa Alaudae“ gelebt und ihre drei Kinder Lenticula, Nautianus und Fabicula aufwachsen sehen. Nautianus war mit Leib und Seele Offizier der Classis Germanica, Lenticula führte die „Villa Alaudae“ und war mit einem Offizier der legio I Minervia verheiratet, Fabicula hatte Verenatus vom Handelshaus Olivifer geheiratet und lebte mit ihm in Augst. Am Ende seiner Dienstzeit heiratete Nautianus Anike aus Nimwegen und gründete mit ihr eine Familie.

Bitten an die Aufanischen Mütter (um 158)

Seit langem war der Kult der Aufanischen Mütter im Rheinland tief verwurzelt. Bonn war sogar zum Zentrum des Kults geworden und auch das römische Militär hatte ihn in seinen Festtagskalender übernommen. Nun, zur Zeit des Kaisers Antoninus Pius, war ihnen ein großes Zentralheiligtum erbaut worden. Es lag im Westen der Stadt an einer Biegung der Gumme. Weit über Bonn hinaus kamen Menschen hierher, um den Aufanischen Müttern zu danken oder ihren Schutz zu erbitten. Auch Fabicula kam regelmäßig nach Bonn und legte im Namen der ubischen Hilfstruppen im fernen Dakien dort einige Blumen nieder.

An diesem Tag hatte sich Lenticula mit ihrem Ehemann Lucianus hierhin begeben. Da stand ein Weihestein für einen gefallenen Kameraden der legio I Minervia. Auch wenn Kaiser Antoninus Pius keine großen Kriege führte, kam es doch zu Aufständen in Randbereichen des riesigen Römischen Reichs. Eine Abordnung der I Minervia war nach Mauretania Caesarensis geschickt worden, um dort einen Aufstand niederzuschlagen; Kameraden waren in der Ferne gefallen und begraben worden. Unter ihnen war ein älterer Legionär, der oft auf einen Imbiss in die „Villa Alaudae“ gekommen war. Er hatte sich freiwillig für diesen Einsatz gemeldet, um Soldaten mit Familie die lange Trennung zu ersparen. Nun war er tot und lag irgendwo an den Gestaden des Mittelmeers begraben. „Ich weiß, Mauretania ist weit weg“, bat Lenticula leise, „aber vielleicht könnt Ihr helfen, dass sich dort in der Ferne Menschen auch um fremde Gefallene kümmern.“

Erneut nach Britannien

Lucianus, ihr Mann, schwieg. Er selbst war in Britannien an der Nordgrenze des Reiches gewesen, am Hadrianswall, und auch nach seiner Rückkehr hatte er die Entwicklung dort verfolgt. Noch immer standen vier Legionen auf der Insel. Kaiser Antoninus Pius hatte die Grenze nach Norden verlegen lassen und einen zweiten Wall errichten lassen. Die neue Grenze war deutlich kürzer als der Hadrianswall, aber Rom hatte sie nicht halten können. Nun wurde die Grenze zurückverlegt und am Hadrianswall standen viele Reparaturen an.

Wieder hatte man eine Abordnung der legio I Minervia nach Britannien beordert, und auch ihr Sohn Lucianus Minor war unter ihnen. Beide Eltern waren sehr besorgt, denn aus Britannien kam Kunde von einem Aufstand. Lucianus hatte die Feinde gegen die römischen Kastelle anrennen sein – wilde, bemalte Krieger, die alles und jeden niedermachen würden, wäre das römische Militär nicht zur Stelle. Doch er hatte auch von geldgierigen, korrupten Provinzbeamten gehört, die nichts um die ihnen unterstellten Menschen gaben – egal ob einheimische Britannier oder Römer. Kaiser Antoninus Pius war sicher ein rechtschaffener Mann, zahlreiche seiner Vertreter in den Provinzen waren es nicht. Doch vor Lenticula wollte er nicht davon reden. „Mach‘ Dir nicht so viele Sorgen“, sagte er, „unser Sohn ist bei den Bau-ingenieuren, die den Hadrianswall befestigen, bevor etwas passiert. Sie ziehen nicht in einen neuen Krieg.“

Marschbefehl in den Osten

Schon wenige Jahre später fanden sich wieder viele Menschen am Heiligtum der Aufanischen Mütter ein und baten um Schutz für sich und ihre Lieben. Weit im Osten hatten die Parther das römische Armenien überfallen, es kam zum Krieg.

Von überall her zog Kaiser Marc Aurel Truppen zusammen, die ganze legio I Minervia erhielt den Marschbefehl. Als die Legion aufbrach, standen viele Menschen am Lagertor, um ihnen Lebewohl zu sagen. Auch Nautianus, seine Frau Anike und seine Schwester Lenticula waren dabei. Er hatte gerade seinen aktiven Dienst bei der Flotte beendet und freute sich auf das Leben mit Anike. Lenticulas Sohn war noch immer in Britannien, und auch wenn keiner aus ihrer Familie mitzog, fühlten sie mit ihren Freunden und deren Familien.

Gerade salbaderte ein Karriereoffizier aus Rom, der vor kurzem zur Legion gestoßen war, lautstark von einem überwältigenden Sieg und einem anschließenden Triumphzug in Rom. Er kannte die Trajanssäule, auf der Kaiser Trajan seinen Feldzug hatte verherrlichen lassen, und erhoffte sich wohl Ähnliches für diesen Feldzug. Nautianus schauderte es. Sein Vater Uvius Pino hatte ihm vom Dakerkrieg erzählt, von blutigen Kämpfen, Tod und Zerstörung und Jahren fern der Heimat. Nun zogen wieder Söhne, Brüder, Männer und Väter in einen Krieg am anderen Ende des riesigen Reiches.

Partherfeldzug (162-166)

Bange Jahre für die Angehörigen und Freunde der Bonner Legionäre gingen ins Land. Ab und zu kamen Nachrichten von der Front im Osten des Reiches an den Rhein. Ein römisches Heer mit der legio I Minervia hatte Armenien für Rom zurückerobert, einige Soldaten waren bis zum Kaspischen Meer gekommen, und Mitkaiser Lucius Verus nannte sich bereits „Armenien-Sieger“. Aber von den Männern hatten sie nichts erfahren.

Wieder stand Lenticula am Rheinufer. Da lagen jede Menge Steine am Kai, die eigentlich weiter transportiert werden sollten, doch nun machten die Menschen in Bonn daraus Grabsteine. Viele Männer der legio I Minervia waren nicht zurückgekommen, und die Heimkehrer waren von Krankheit und Angst gezeichnet.

Die Pest (167)

Die römische Armee im Osten hatte gesiegt, doch um welchen Preis! Ein anderes Heer hatte die parthischen Metropolen Ktesiphon und Seleukia am Euphrat erobert und den Königspalast dem Erdboden gleich gemacht, nicht einmal vor Tempeln hatten sie halt gemacht. Bald darauf war eine verheerende Seuche ausgebrochen – beim Brandschatzen und Plündern hatten sich die römischen Soldaten infiziert. In den beengten Quartieren des Heeres, wo acht Männer sich ein Zelt teilten, verbreitete die Seuche sich rasend schnell, und auf dem Weg zurück über Athen schleppten die Legionäre sie mit ins Reich.

In Rom triumphierten die siegreichen Kaiser. Doch nach dem Triumphzug der Truppen brach die Seuche auch in Rom aus und verheerte Italien und Spanien. Entlang der Rückwege der Soldaten und der Handelsrouten verbreitete sie sich weiter an den Rhein und bis hinauf nach Britannien. Es gab kein Heilmittel und auch die Verbreitung konnte nicht verhindert werden; in vielen Regionen starben unzählige Menschen einfach weg. In der Landwirtschaft wurden in diesen Regionen das Land nicht mehr bestellt, Ernten fielen aus und es kam zu Versorgungsengpässen oder gar Hunger. Man hörte schon von Massenfluchten in Ägypten, der Kornkammer des Reiches.

„Was für ein bitterer Triumph“, dachte Lenticula. Nicht, dass sie überhaupt etwas davon hielt, besiegte Feinde vorzuführen, und die Spiele verabscheute sie wie ihr Vater. Jetzt machte die Seuche vor niemandem Halt, egal ob Feind oder Römer.

Angriff auf die Donaugrenze

Am Ufer lag das Schiff ihres Bruders Nautianus vor Anker. Bald würde er ablegen und mit seinen Kameraden von der Flotte nach Süden fahren. Es war noch schlimmer gekommen: An der mittleren Donau hatten Barbaren in breiter Front die Grenze überrannt, die Wachposten niedergemacht und verwüsteten nun römisches Gebiet. Kaiser Marc Aurel zog alle verfügbaren Truppen und Flotteneinheiten an der Donau zusammen, auch Einheiten der legio I Minervia waren auf dem Weg. Nautianus war klar, dass es viel zu wenig waren, um die langgestreckte Grenze wirksam zu verteidigen. Doch die Donau als Hauptverbindungsweg durch die römischen Provinzen in Mittel- und Südosteuropa zum Schwarzen Meer war für das Reich lebenswichtig.

Auch als Veteran konnte er jetzt nicht ruhig daheim bleiben. „Wir müssen dem Konvoi der Handelsschiffe Geleitschutz zu geben“, hatte er im Familienkreis gesagt, „und wir müssen wissen, was mit unseren Leuten ist – mit Lenticula und Verenatus in Augst, mit dem Stammhaus in Mailand, und den Freunden und Handelspartnern an der Donau.“ Doch es fiel ihm sehr schwer, sich von seiner Familie zu trennen. Anike und er hatten zwei Kinder, den Sohn Vigilius und die Tochter Rubula; sie würden nun bei Lenticula bleiben.

Aufbruch an die Front (167)

Bevor er ablegte, nahm er sie noch einmal mit auf sein Schiff. „Schaut, unser Schiff ist sehr schnell und stabil, und unsere Männer an Bord sind tapfere Soldaten. Aber die Donau ist ein gewaltiger Fluss mit vielen gefährlichen Stellen.“ Vigilius wusste, worauf sein Vater hinaus wollte. Er schluckte, dann sagte er tapfer: „Deine Kameraden werden froh sein, dass ein so erfahrener Flottenoffizier wie Du dabei ist.“ „Und Onkel Verenatus und sein Sohn erst“, ergänzte Anike ebenso tapfer, „er fährt auch in dieser gefährlichen Zeiten die Donau hinab und bringt Mannschaften, Ausrüstung und Lebensmittel heran.“

Die kleine Rubula auf seinem Arm schmiegte sich an ihn. Nautianus schaute sie alle liebevoll an und nickte. „Fabicula leitet das Geschäft daheim, die Männer sind schon auf dem Weg an die Front. Von der Versorgung unserer Truppen hängt jetzt alles ab“, sagte er, „deshalb müssen wir mit der Flotte die Handelsschiffe auf dem Rhein und der Donau schützen.“ Er schwieg einen Moment, dann sagte er bewegt: „Lenticula und Ihr werdet hier in Bonn die Stellung halten. Ich weiß, Ihr schafft das.“ Als das Schiff ablegte, ahnte selbst der erfahrene Nautianus nicht, wie lange der Krieg dauern würde.

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Wikipedia, Partherkrieg des Lucius Verus

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