Die Donaugrenze in Gefahr

Handelsschiff auf der Donau
Handelsschiff auf der Donau

An der Donaugrenze zur Zeit Kaiser Marc Aurels. Barbarenvölker drängten über die Grenze in die Provinzen Raetien, Noricum und Pannonien. Noch immer tobte die Seuche, und das Römische Reich steckte in einer tiefen Krise.

Die Seuche hatte unzählige Menschenleben gefordert. Es fanden sich kaum neue Männer für die Armee und der Kaiser hatte kein Geld, um seine Soldaten zu bezahlen. In dieser Notlage rekrutierte man sogar Straftäter, Sklaven und Gladiatoren.

Markomannen-Kriege (167-180)

Doch die Katastrophe nahm ihren Lauf: Immer wieder griffen die Barbaren an, bereiteten der unerfahrenen römische Armee eine verheerende Niederlage und fielen sogar in Italien ein. Kaiser Marc Aurel zog entlang der Donau nach Norden ins Markomannen-Land. Acht Jahre dauerte der erbittert geführte Krieg, dann hatte die römische Armee die Feinde besiegt.

Endlich konnte auch Nautianus zurück zu seiner Familie; in den letzten Jahren hatte er sie kaum gesehen. Auch zuhause am Rhein war einiges geschehen. Während der Kaiser an der Donau kämpfte, waren die germanischen Chauken aus dem Norden Germanias auf dem Seeweg in Gallia Belgica eingefallen. Der Statthalter hatte sie mithilfe der verbliebenen Teile des Heeres besiegen können. Lenticulas Sohn Lucianus Minor war mit dabei gewesen; ihr Mann hatte wegen seines hohen Alters nicht mitziehen können, doch darauf bestanden, sich im Lager um die Ausrüstung der Legion zu kümmern. Lenticula, Anike und Tochter Rubula hatten die Versorgung der Menschen daheim aufrecht erhalten.

Vigilius

Nautianus‘ Sohn Vigilius war fast erwachsen und wollte wie sein Vater in die Flotte eintreten. Das war ein ehrbarer Weg, den er, als langjähriger Flottenoffizier, ihm nicht abschlagen konnte. Doch als Vater war er tief besorgt. Nach dem römischen Sieg waren nicht einmal friedliche Germanen verschont geblieben: Römische Legionäre hatten Dörfer überfallen, Frauen und Kinder versklavt und sogar Belohnungen für die abgeschlagenen Köpfe ihrer Feinde erhalten. Nautianus war entsetzt; so schürte man nur Hass. Schon wenige Jahre später brach an der Donaugrenze wieder Krieg aus. Seit einem Jahr war Vigilius bei der Flotte und übernahm mit seinen Kameraden den Schutz der Handelsschiffe. Der Vater wäre am liebsten wieder mitgefahren; nur die dringende Mahnung des Sohnes, dass nicht alle erfahrene Offizier wegziehen und Germania Inferior bei einem erneuten Angriff der Chauken schutzlos zurücklassen sollten, hatte ihn davon abgehalten.

Im Feldlazarett Vindobona

Immer neue Pestwellen verheerten das Reich, und auch das Stammhaus der Olivifers im italienischen Mailand wurde schwer heimgesucht; die Handelswege brachen zusammen. Mit dem Mut der Verzweiflung hielten Verenatus und Fabicula den Betrieb aufrecht und lieferten was sie auftreiben konnten an die Front. Bis zuletzt steuerte Verenatus das Legionslager Vindobona an und brachte Lebensmittel, obwohl schlimme Nachrichten von dort kamen. Doch wie konnte er in dieser schweren Zeit seine Landsleute und seine Geburtsstadt alleine lassen?

Schließlich wurde auch er schwer krank, und man brachte ihn in ein Feldlazarett in Vindobona. Tagelang schwebte er zwischen Leben und Tod. Sogleich war Fabicula an sein Lager geeilt, und auch sein Sohn und Vigilius kamen so oft es ging. Endlich war Verenatus außer Lebensgefahr und schlief tief und ruhig. Ein Arzt trat zu ihm; er gehörte zur legio III Augusta, die aus Africa an die Donau kommandiert worden war. „Ich wünsche ihm von Herzen, dass er wieder ganz gesund wird“, sagte er, „er hat so viel für uns getan“. „Er liebt seinen Beruf“, antwortete Fabicula, „vor allem den Handel mit Oliven und Olivenöl. Doch durch die Pest und den Krieg ist fast alles bei uns zusammengebrochen“.

Ein Lächeln glitt über die müden Züge des Arztes. „Oliven“, sagte er weich, „das lässt mich an zuhause denken. Daheim in Hadrumetum, das liegt südlich von Karthago, haben wir herrliche Olivenbäume und bestes Olivenöl.“ Er verstummte für eine kurze Zeit, war in Gedanken in seiner Heimat.

Dann fuhr er fort: „Wenn Ihr wollt, könnte ich Euch da was vermitteln. Sofern wir diesen Krieg überleben und gesund zurückkehren. Aber versprecht mir, dass Ihr dann auch nach Aquincum (Budapest) liefert. Viele unserer Männer gehen nicht zurück, sondern werden in die legio II Adiutrix versetzt, nachdem so viele Legionäre gefallen sind. Sie sollen auch dort ein Stückchen zuhause haben.“ Fabicula lächelte. „Unseren Leuten ein Stückchen zuhause zu bringen, darin haben wir Übung“, sagte sie, „das versprechen wir gerne.“

Oliven aus Africa (um 180/181)

Verenatus und Fabicula waren zurück in Augst und hatten auch ihren Sohn wohlbehalten wieder. Doch wie sollte es mit dem Handelshaus Olivifer weitergehen? Die Pest hatte das Haus zu schwer getroffen, als dass es alleine weiterbestehen und gar eine neue Handelsroute über das Mittelmeer nach Afrika aufbauen konnte. Der Patron in Mailand entschied, sein Haus in ein befreundetes Handelsunternehmen, das Al’Alio, einzugliedern, welches seinen Stammsitz in Lyon hatte und über Schiffe und Handelsrouten bis hinauf nach Germania Superior und Germania Inferior verfügte. Es war eine schwere Entscheidung, doch nur so konnten sie ihren Handel mit Oliven und Olivenöl weiter betreiben. Verenatus trug diese Entscheidung des Patrons mit. Fabicula und er würden in Augst wohnen bleiben, ihr Haus bliebe immer in der Familie, und ihr Sohn würde nach Lyon gehen und von dort aus den Handel weiter betreuen.

Für Verenatus war nun jeder Tag ein Geschenk. Er ließ es sich nicht nehmen, zusammen mit seiner geliebten Frau Fabicula nach Africa zu reisen, um seinen Freund, den Arzt der legio III Augusta wiederzusehen und das Herkunftsland seiner neuen Waren kennenzulernen. Fast ergriffen ging er mit ihm durch die uralten Olivenhaine. Seit Anbeginn der römischen Zivilisation wurden die Olivenbäume dort als heilige Pflanzen verehrt, und die Oliven wurden gleich nach der Ernte in Lake konserviert. All dies hatte eine lange Tradition, in die sein Haus nun eintrat. Als er die ersten Oliven und die ersten Amphoren Olivenöl mit auf den Heimweg nahm, war er voller Zuversicht.

Eine neue Generation

Einige Wochen später brachten Verenatus und Fabicula die ersten Oliven aus Africa nach Bonn. Die Wiedersehensfreude war groß. Lange saßen Lenticula, Nautianus und Fabicula, die „Legio Mama Victrix“, zusammen am Rheinufer, genossen den Ausblick auf den Fluss und die Berge und beobachteten die Schiffe. An eben dieser Stelle hatten sie als Kinder die Flottenparade Kaiser Hadrians auf dem Rhein gesehen. „Unser Junge ist schon auf dem Weg zu Al’Alio in Lyon, er wird dort mitarbeiten und unsere Handelspartner am Rhein und an der Donau betreuen“, sagte Fabicula, „und er wird sicher auch oft selbst zu Euch kommen.“ „Rubula wird die ‚Villa Alaudae‘ übernehmen“, sagte Nautianus lächelnd, „auch Anike und ich bleiben in der Nähe. Ich weiß doch, dass Ihr ohne ihre köstlichen Pofertiuli nicht mehr auskommt.“

Auch Lenticula lächelte schelmisch. „Mein Junge wird nicht mithelfen können“ begann sie, „im Gegenteil, wir werden Essen in sein Haus liefern müssen.“ Immer mehr Menschen von weit her kamen nach Bonn, um die Reihen der legio I Minervia wieder aufzufüllen; viele von ihnen kamen aus dem Osten. Als Veteran kümmerte sich Lenticulas Sohn Lucianus Minor um sie und half ihnen, sich in der fremden Umgebung schnell zurechtzufinden. Oft übte er mit ihnen und ihren Angehörigen auch Latein, so wie sich seine Frau um die Frauen und Töchter der Zugezogenen kümmerte. All dies ging besser bei einem leckeren Imbiss aus der „Villa Alaudae“.

So war alles gut geregelt. „Erinnert Ihr Euch an damals, an Discordans?“ fragte Lenticula, „wenn der wüsste, dass wir nun auch noch ins Haus liefern!“ Sie alle kicherten, dachten an ihre unbeschwerte Kindheit am Rhein. Diese Zeit war lange vorbei, dennoch war heute kein Tag für Wehmut. Lenticula, Nautianus und Fabicula hatten ihre Lieben und sich gut durch die schweren Kriegsjahre gebracht- noch einmal hatte die „Legio Mama Victrix“ ihrem Namen alle Ehre gemacht.

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