Römische Provinzen

Rhein von Bonn und Siebengebirge, Legionslager
Rhein von Bonn und Siebengebirge, Legionslager

Römisches Germanien, um 85. Kaiser Domitian wandelte das bisherige Militärgebiet im römische Provinzen um: Germania Inferior mit der Hauptstadt Köln und Germania Superior mit der Hauptstadt Mainz.

Glück im Unglück

Der Veteran Aliter und seine Frau Pumella Pulchra lebten in einem schmucken Steinhäuschen am Rheinufer, der „Villa Alaudae“. Dort führten sie ein Ladenlokal mit Garküche, spezialisiert auf Oliven, Olivenöl und die guten Dinge, die Aliters Halbbruder Olivifer Nativo vom Handelshaus Olivifer ihnen brachte. Zudem betrieb Aliter einen Verpflegungsstand für die Arbeitstrupps in den römischen Steinbrüchen am Drachenfels.

Nach dem Bürgerkrieg gehörte auch Aliters Sohn Fortiter, Legionär der I Germanica, zu den Besiegten. Doch er hatte Glück im Unglück: er kam zur legio XI Claudia, die nach Vindonissa (Windisch) versetzt wurde – also an den Rhein und ganz in die Nähe von Augst, wo das Handelshaus Olivifer eine Niederlassung hatte. Rubeus, Aliters und Pumellas jüngerer Sohn, war nun Offizier in der Hafenkommandatur in Bonn und hatte ihre Pflegetochter Nauticula geheiratet. Die beiden bekamen zwei Kinder, Rubeus Minor und Nauticula Minor.

Germania Inferior (um 85)

73/74 hatten die Römer das Land zwischen Rhein und Donau, das „Dekumatland“, unter ihre Herrschaft gebracht. Fortan verlief die Grenze nicht mehr entlang der beiden Flüsse, sondern schloss das Land zwischen ihnen ein. Neue Straßen wurden gebaut, und so gelangten römische Truppen schnell von der Donau an den Rhein und umgekehrt. Dort, am Rande des Imperiums, blieben Germanen und Daker erbitterte und wehrhafte Feinde.

Nach dem Tod Vespasians und seines ältesten Sohns Titus (Regierungszeit 79-81) wurde der jüngere Sohn Domitian (81-96) Kaiser. Anders als sein Vater und sein Bruder konnte er keinen militärischen Ruhm vorweisen, was seine Autorität in der militärisch geprägten römischen Welt schwächte. Nun zog er mit einer gewaltigen Armee über den Rhein gegen die weit unterlegenen Chatten.

In zwei Feldzügen wurde das Gebiet zwischen Taunus, Lahn und Main, die Wetterau, erobert. Doch so gewaltig und überlegen die römische Armee auch war – die Kampfesweise der Germanen machte ihr zu schaffen. Diese brachen immer wieder aus ihren Verstecken im Wald über die Römer herein und verschwanden wieder im Dickicht. Nun schlugen die Römer Schneisen in den Wald und legten Patrouillenwege an. Dazu errichteten sie hölzerne Wachtürme, und zwar nahe genug beieinander, dass die Besatzungen Sichtkontakt hatten. War Gefahr im Verzug, ging eine Warnung mittels optischer oder akustischer Signale von Turm zu Turm und zu den Kastellen hinter dem Limes.

Nach dieser Demonstration römischer Militärmacht wandelte Domitian die bisherigen Militärbezirke in römische Provinzen um: Germania Inferior mit der Hauptstadt Köln; Germania Superior mit der Hauptstadt Mainz. Dazu ließ er „Germania Capta“, „Germanien eingenommen“, auf seine Münzen drucken – aus seiner Sicht hatte er das „Germanenproblem“ ein für alle Mal gelöst.

Hauptstadt CCAA (um 85)

Nun war Köln, die antike Colonia Claudia Ara Agrippinensium, kurz CCAA, Hauptstadt einer römischen Provinz. Das machte die ohnehin schon prächtige Stadt am Rhein noch attraktiver für viele Menschen. Hier ließ es sich auch für verwöhnte, an einen gehobenen Lebensstandard gewöhnte Römer gut leben. Von der CCAA aus führten Handelswege durch ganz Germanien und Gallien bis hinauf nach Britannien, und so wurde die Stadt auch schnell zur Wirtschaftsmetropole im Nordwesten des Römischen Reiches.

Der Statthalter einer römischen Provinz war ein mächtiger Mann, er war zugleich oberster Befehlshaber der dort stationierten Legionen und auch der Kommandant der Flotte vor Ort war ihm unterstellt. So war die Struktur der römischen Provinzverwaltung seit langem. Für die junge Provinz Germania Inferior und ihre gerade erhobene Hauptstadt CCAA aber war das alles neu – und einigen Würdenträgern im Stab des Statthalters arg zu Kopf gestiegen.

„Meine Güte“, schimpfte Rubeus, als er nach einem langen Tag in der CCAA zurück in die „Villa Alaudae“ kam, „einige im Stab des Statthalters drehen da jetzt ganz durch. Sie halten sie sich für die Götter wissen was und wollen alle einen Palast haben!“

Offizier bei der Bonner Hafenkommandatur

Gerade hatte er als Offizier der Bonner Hafenkommandatur eine große Versendung von Steinen vom Drachenfels in die CCAA sicher geleitet. Doch als er dem diensthabenden Offizier im Stab des Statthalters Meldung machen wollte, hatte dieser ihm hochnäsig ausrichten lassen, dass man sich in Bonn mehr anstrengen müsste. Rubeus konnte sich gar nicht beruhigen – die hatten ja keine Ahnung, was für eine gewaltige Leistung seine Männer Tag für Tag erbrachten. „Dafür schuften unsere Leute doch nicht“, wetterte er, „unser Hafen und unsere Frachtschiffe sind denen auch nicht gut genug. Dabei sollen sie froh sein über die Steine vom Drachenfels, die unsere Schiffe regelmäßig bringen, damit die CCAA ihre Stadtmauer ausbauen kann, denn das kommt allen zugute!“

Nun drängten sich seine Kinder zu ihm. „Ach lass‘ sie reden“, meinte sein Sohn Rubeus Minor, „morgen sind wir wieder bei den Steinbrüchen und bringen den Männern wieder was mit. So gute Oliven wie wir hat der Statthalter nicht!“ „Ganz bestimmt nicht“, ergänzte seine Schwester Nauticula Minor, „wir haben eine neue Sorte aus Hispanien, ganz lecker!“ Trotz all seiner Wut musste Rubeus lächeln, die Logik seiner Kinder war einwandfrei. Rubeus Minor wollte alles wissen, was mit den Steinbrüchen zu tun hatte, wohin die Steine transportiert wurden und was man damit baute, und Nauticula Minor kannte all ihre Waren und Handelsrouten und die meisten Handelsschiffe. Er liebte seine Kinder innig und hoffte, dass er sie noch lange um sich haben würde.

Legio I Minervia (88)

„Nauticula Minor!“ klang es energisch durch die Räume der „Villa Alaudae“. So wurde sie nur gerufen, wenn sie etwas angestellt hatte. Und sie sah es gleich: in dem Brunnen im Garten trieb noch ihr Spielzeugschiff. „Aber wenn doch noch Ware abzuladen ist!“ protestierte sie noch. Dabei wollte ihre Mutter Nauticula auf den Offizier der neuen Bonner Legion, der gerade die „Villa Alaudae“ betreten hatte, einen guten Eindruck machen. Doch ihre Sorge war ganz unnötig. Der Offizier lachte, nahm das Schiffchen und richtete das Segel aus. „Siehst Du, so fährt es gleich viel besser“, sagte er freundlich zu dem Mädchen, und zu ihrer Mutter: „Weißt Du, ich bin aus Burdigala, wir sagen Bordeaux, da haben wir auch einen großen Hafen! Ich bin übrigens Sempronius Uvius Pino.“

Von nun an kam Uvius Pino häufiger in die „Villa Alaudae“. Er mochte die hübsche, aufgeweckte Nauticula Minor und fühlte sich in ihrer ungezwungenen Familie gleich wohl. Vielleicht würde es in dem kleinen Bonn ja doch nicht so öde werden wie einige gemeint hatten. Wäre Bonn nicht der Standort der neuen Lieblingslegion Kaiser Domitians, wäre es wohl kaum auf der Landkarte, hatte jemand behauptet.

Südgallische Legionäre am Rhein

In der Tat hatte Domitian selbst die Legion für seinen Feldzug gegen die Chatten ausgehoben und sie legio I Minervia Flavia Domitiana benannt. Flavia nach ihm, Domitian war der letzte Kaiser der flavischen Dynastie, und Minerva war seine Lieblingsgöttin. Seit 83 stand sie in dem gewaltigen neuen Legionslager Bonn, die legio XXI Rapax war zurück nach Mainz gegangen. Die meisten die Legionäre stammten aus Südgallien und waren zuvor noch nicht am Rhein gewesen. Noch immer bot die Armee jungen Männern Chancen: ein regelmäßiges, gutes Einkommen, und auch Männer aus bescheideneren Verhältnissen konnten es aus eigener Kraft bis zum Centurio bringen. Nach der ehrenvollen Entlassung bekamen die Veteranen etwas Land geschenkt. Auf der anderen Seite musste man oft weit weg ziehen, und das war auch Uvius Pino schwergefallen.

Nauticula und Rubeus lachten. „So hat Onkel Nativo damals bei seinem ersten Besuch auch gedacht“, sagte Rubeus, „mit dem hochurbanen Mailand kann unser Bonn nicht mithalten. Aber das muss es ja auch nicht, es ist schön hier am Rhein, und Tempel und Bäder kann man bauen, wie Du siehst. Nur der Wein hat noch nicht die Qualität, die Ihr von daheim gewohnt seid. Aber da können wir Abhilfe schaffen. Die Anbindung nach Gallien uns ans Mittelmeer über den Rhein, die Mosel, die Saône und die Rhône ist gut; und fast jeden Tag legen Schiffe hier an.“

Fortiter (88)

Nach vielen Jahren in Vindonissa ging Fortiters Dienstzeit bei der legio XI Claudia zu Ende. Alles in allem hatte er Glück gehabt, denn seine Legion war nur in leichte Gefechte verwickelt gewesen; dafür hatten sie viel Infrastruktur aufgebaut. Seit langem belieferte das Handelshaus Olivifer auch das Legionslager Vindonissa. Bei seinen Besuchen in Poesinas Haus hatte er ihre Familie gut kennengelernt und sich vor kurzem mit ihrer Nichte verlobt. Für Nativo, der nun auch ein hohes Alter erreicht hatte, war Fortiter der ideale Nachfolger für die Rheinroute.

Fortiters Hochzeit war ein großer Tag. Nach einer kurzen Zeremonie in Augst gingen sie an Bord von Nativos Schiff, dann es ging rheinabwärts nach Bonn, wo Aliter mit seiner Familie schon wartete. Eine Hochzeitsfeier an Bord eines Schiffes, das war passend für den Händler, der viele Jahre auf dem Rhein gefahren war, und seinen Nachfolger, der die Route nun übernehmen würde. Aliter und Pumella Pulchra waren überglücklich, dass sie diesen Tag noch erleben durften.

Gefahr an der Donaugrenze

Später am Abend saßen die Brüder Fortiter und Rubeus zusammen und schmiedeten Pläne. „Jetzt wirst Du häufiger hier sein“, begann Rubeus, „und wir beide können dazu beitragen, aus Germania Inferior eine blühende Provinz zu machen, eingebunden in das Reich und die Pax Romana.“

„Wenn es die Pax Romana denn geben würde“, meinte Fortiter, „hier in Germania Inferior und auch unten in Germania Superior herrscht Frieden, aber an der Donau zieht Gefahr auf. Tschorba hat mir viel berichtet. Der Fluss ist die Nordgrenze unserer Provinzen Raetien, Noricum, Pannonia Superior und Inferior und ganz im Osten Moesia Superior und Inferior, das ist eine lange und schwer zu verteidigende Grenze. Und wer weiß schon, was in den Quaden, Markomannen und Sarmaten jenseits der Grenze vorgeht. Unsere erbittertsten und gefährlichsten Feinde sind die Daker an der unteren Donau.“

Rubeus nickte. Vor einigen Jahren (85/86) hatten die Daker die schlecht gesicherte Grenze überfallen und die römischen Truppen hatten sie nicht entscheidend zurückschlagen können. „Kaiser Domitian zieht schon an der Donaugrenze Truppen zusammen“, sagte Fortiter, „es gibt Überlegungen, auch die legio XI Claudia wieder auf den Balkan zu versetzen. Da kommt einiges auf uns zu.“

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Römische Provinzen | Zum Weiterlesen
Wikipedia, Colonia Claudia Ara Agrippinensium, CCAA
Wikipedia, Legionslager Vindonsissa
Römerstadt August Raurica, Augst

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